Faktencheck

Grüner Slogan irreführend: Kein Aus von Öl und Gas durch Pellets

Die Grünen fordern den Ausbau von Pelletheizungen, um von russischem Öl und Gas unabhängig zu werden. Ist das realistisch? Und: Wie ökologisch sind Holzpellets?

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Pellets statt Putin.

Peter Kraus

Parteivorsitzender Grüne Wien, 23. September 2022

Irreführend

Ukraine-Krieg, Klimakrise, steigende Öl- und Gaspreise. Aktuell denken viele Menschen über alternative Heizsysteme nach. Wenn es nach den Grünen geht, liegt eine Wärmequelle hoch im Kurs: Pellets. Aber wie ökologisch ist das Heizen mit gepresstem Holz? Schaffen wir damit die Unabhängigkeit von russischem Öl und Gas? Und ab wann wird es problematisch für Wald und Ökosystem? Ein Faktencheck.

„Pellets statt Putin“ steht, in Grün und Blau, auf einem Kartonschild, das Peter Kraus in die Kamera hält. Mit der Botschaft nahm der Parteivorsitzende der Wiener Grünen am Klimastreik im September in Wien teil. Die Fridays for Future-Bewegung hatte zu Protesten aufgerufen. Auf Instagram veröffentlichte Kraus ein Foto von der Veranstaltung. Bildunterschrift: „Wir müssen endlich raus aus Öl und Gas und rein in erneuerbare Energie.“ Mit der Forderung, sich per Pellets von fossiler Energie unabhängig zu machen, ist Kraus nicht alleine. Bundespräsident Alexander Van der Bellen oder Vizekanzler Werner Kogler warben mit demselben Slogan für den Umstieg auf Pellets. Doch deren Nutzung hat Nachteile: NGOs kritisieren ihre Einstufung als klimaneutral sowie die hohe Feinstaubbelastung. Selbst der Pellets-Branchenverband meint, dass diese keine universelle Lösung darstellen.

Heimische Produktion von Pellets stößt an Grenzen

2021 heizten rund vier Prozent der österreichischen Haushalte mit Pellets. Ein weitaus größerer Anteil der Haushalte wird mit Öl (etwa 16 Prozent) und Gas (rund ein Viertel) versorgt. Laut Gesetz sind diese Heizungen spätestens bis 2040 durch erneuerbare Alternativen zu ersetzen. Also durch Pelletheizungen? Christian Rakos, Geschäftsführer von ProPellets Austria: „Nein. Wichtig ist, für das jeweilige Haus die beste Heizung auszuwählen.“ Oft seien Wärmepumpen passender. Aktuell werden in Österreich mehr Pellets hergestellt als verbraucht: 2021 wurden 1,6 Millionen Tonnen produziert – um 0,4 Millionen Tonnen mehr als benötigt. „Nach Schätzungen wird die jährliche Produktionsmenge bis 2026 auf 2,6 Millionen Tonnen gesteigert“, so Rakos. Ob viel mehr möglich ist, wird bezweifelt. Demnach darf sich die Anzahl der Haushalte, die mit heimischen Pellets heizen, in den nächsten vier Jahren maximal etwas mehr als verdoppeln. Pellets aus Österreich sind als alleiniger Ersatz für die über 40 Prozent der Haushalte mit Öl- oder Gaskessel also nicht realistisch. Hierfür müssten Pellets importiert werden.

Kritik an Import von Pellets

Das sieht Lorenz Strimitzer von der österreichischen Energieagentur kritisch. „Die Regelungen für Waldbewirtschaftung sind in Österreich sehr streng. In anderen Staaten ist das nicht immer so.“ Pellets aus heimischem Wald könne man durchaus als „nachhaltig“ bezeichnen. Laut Landwirtschaftsministerium wächst Österreichs Waldfläche jährlich um über 2000 Hektar. Das entspricht 3000 Fußballfeldern. Umweltschutzorganisationen bemängeln dennoch: Eine Klimaneutralität von Pellets gelte allenfalls über längere Zeit und nur wenn gefällte Bäume wirklich nachwachsen. Auch dass Pellets aus ohnehin anfallenden Holzresten hergestellt werden, lässt etwa Fridays for Future nicht gelten: „Selbst Holzreste sind fürs Verbrennen in der Regel zu schade. Und: Um die Biodiversität zu fördern, sollte man Wälder nicht bis zum Anschlag nutzen“, meint Pressesprecher Michael Spiekermann.

Problem: Feinstaub?

Möglich ist die Unabhängigkeit Österreichs von fossilen Brennstoffen sowie die Klimaneutralität bis 2040 nur, wenn insgesamt weniger Energie für Raumwärme eingesetzt wird, sagt Siegmund Böhmer vom Umweltbundesamt: „Der Bedarf an Biomasse - also auch Pellets - muss auf rund 65 Prozent des aktuellen Niveaus schrumpfen, etwa durch die Sanierung schlecht gedämmter Häuser.“ Grundsätzlich stellen Pelletheizungen laut Böhmer eine „effiziente Nutzung von Holz“ dar – im Vergleich zu klassischen Holzöfen. Ein Problem sieht er im Feinstaub: „In dicht bewohntem Gebiet kann selbst eine kleine Menge an Emissionen großen negativen Einfluss auf die Gesundheit haben.“ Für Wien sind Pellets somit nicht gut geeignet: 2021 lag die Konzentration von kleinen Feinstaubpartikeln in der Bundeshauptstadt im Durchschnitt bei 11,8 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt maximal fünf Mikrogramm. 

Fazit

Pelletheizungen sind nachhaltiger als Öl- oder Gaskessel. Doch um unabhängig von Russland und klimaneutral zu werden, müssen über 40 Prozent der Haushalte Alternativen finden. Das kann die jährliche Produktion heimischer Pellets nicht decken. Auf profil-Anfrage heißt es aus Kraus’ Büro schließlich, dass Pellets „nicht die alleinige Lösung“ seien. „Pellets statt Putin“ mag somit als Slogan funktionieren, ist aber unterm Strich irreführend

Katharina Zwins

Katharina Zwins

war Redakteurin bei profil und Mitbegründerin des Faktenchecks faktiv.