Laut „Wochenblick“ droht noch 2021 ein Finanzcrash
Der Corona-Crash lässt sich nicht mehr aufhalten. (…) Massenarbeitslosigkeit und ein Pleiten-Tsunami werden 2021 unsere wirtschaftlichen Fundamente zum Einsturz bringen!“
„Was wird uns verschwiegen? Was kommt auf uns zu? Was können wir tun?“ Diese Fragen zieren das Cover der Spezialausgabe „Corona-Crash 2021“ des FPÖ-affinen Magazins „Wochenblick“. Die Antworten werden im Inneren des 108-seitigen Druckwerks auch prompt geliefert: 2021 komme der „Kollaps“ unseres Euro- und Wirtschaftssystems. „Die schlimmste Wirtschaftskrise, die wir je erlebten, liegt vor uns“, heißt es. Und: „Nach der Rücknahme der Corona-Maßnahmen wird es nicht mehr wie davor.“ Experten schütteln angesichts dieser Ansagen den Kopf. Auch die Zahlen anerkannter Forschungseinrichtungen zeichnen ein anderes Bild.
Die „Wochenblick“-Redaktion warnt immer wieder vor einem Zusammenbruch der Wirtschaft. Corona sei nicht Ursache, sondern nur „Sündenbock“, schreibt das rechtslastige Medium. Vielmehr seien falsche politische Maßnahmen der letzten Jahre schuld am „Desaster“. Um den „Wochenblick“-Leserinnen und -Lesern dieses Narrativ näher zu bringen, wurde Anfang dieses Jahres sogar ein Sonderheft herausgebracht, das inzwischen bereits in dritter Auflage erschienen ist und neben abstrusen Mythen zur Corona-Impfung den angeblich bevorstehenden Finanzcrash in all seinen Dimensionen erläutert. Unter dem Titel „Der Corona-Crash lässt sich nicht mehr aufhalten!“ wird ein erschreckendes Szenario prognostiziert: „Massenarbeitslosigkeit und ein Pleiten-Tsunami werden 2021 unsere wirtschaftlichen Fundamente zum Einsturz bringen.“
Kein kompletter Zusammenbruch von Wirtschafts- und Eurosystem
Ökonom Stefan Ederer vom WIFO kann diesen Prognosen nichts abgewinnen: „Ich kenne keine seriöse Studie irgendeines Wirtschaftsforschungsinstituts, die für 2021 irgendeinen Crash vorhersagt.“ Natürlich gebe es als Vermächtnis der Coronakrise höhere Staatsschulden. Denn: „Alle Staaten im Eurosystem haben versucht, ihre Wirtschaft zu stützen“, erklärt er. In Österreich gibt es etwa das Modell der Kurzarbeit oder Investitionsförderungen, welche die Staatsschulden merklich erhöht haben. Zur Orientierung: Nach Berechnungen der Statistik Austria betrug die Staatsverschuldung Ende Juni 334,7 Milliarden Euro und war damit um 18,4 Milliarden Euro höher als am Ende des zweiten Quartals 2020. Von einem Katastrophenszenario sei man aber dennoch weit entfernt, so Ederer: „Es gibt keinen Grund, warum dadurch Wirtschafts- und Eurosystem zusammenbrechen sollten.“ Natürlich war der Wirtschaftseinbruch 2020 groß, dafür gebe es dieses Jahr aber einen merklichen Erholungseffekt.
Konjunktur-Experte Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS) teilt diese Ansicht. Hinsichtlich der Wirtschaftsentwicklung 2021 verweist er auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP), das aktuell wieder etwa das Vorkrisenniveau erreicht hat. Die Wirtschaftsleistung in Österreich ist pro Woche also wieder so hoch wie im gleichen Zeitraum im Jahr 2019. Anders als der „Wochenblick“ behauptet, deuten die Berechnungen der Wirtschaftswissenschafter auf weiteres Wachstum hin: „Die Prognose des IHS vom Juli zeigt, dass das BIP für die Jahre 2021 bis 2025 um durchschnittlich zweieinhalb Prozent pro Jahr wachsen wird.“ Und auch die Behauptung von „Wochenblick“, dass der Wirtschaftseinbruch 2020 „dreimal so stark wie zur Finanzkrise“ gewesen sei, lässt sich mit einem Blick auf das BIP schnell entkräften, so Hofer. Dieses ist in Österreich im Jahr 2009 um 3,8 Prozent gesunken, 2020 um 6,7 Prozent.
Insolvenz und Arbeitslosigkeit
Ein „Pleiten-Tsunami“ wird also, entgegen der Ansicht des „Wochenblick“, nicht „unsere wirtschaftlichen Fundamente zum Einsturz bringen“. Auch wenn man die Insolvenzen betrachtet, ist von dem Katastrophenszenario keine Spur. Karl-Heinz Götze, Leiter der Insolvenz-Abteilung im Kreditschutzverband (KSV 1870) hat die Zahlen parat: „Heuer wird es fast um die Hälfte weniger Insolvenzen geben als 2019.“ Konkret: Während 2019 um die 5.000 Unternehmen pleite gegangen sind, waren es 2020 nur etwa 3.000. Und für dieses Jahr, so Götze, würde die Zahl „sicher unter 3.000“ liegen. Auch aus der Österreichischen Nationalbank werden gegenüber profil Zweifel zur „Wochenblick“-Prognose artikuliert: „Wir müssen auf dem Teppich bleiben“, heißt es aus der OeNB. Denn auch wenn die Zahl der Insolvenzen gerade etwas steigen würde, etwa aufgrund des Auslaufens von Corona-Hilfsmaßnahmen, läge diese immer noch weit unter dem Wert von 2019 und 2020. Der neue Chef des WIFO, Gabriel Felbermayr, erklärte jüngst im „Zeit im Bild 2“-Interview, dass es nach dem Ende staatlicher Hilfsmaßnahmen durchaus zu einer „Bereinigung“ am Markt kommen könne und ein Anstieg der Pleiten realistisch sei. Allerdings ist das von einem „Corona-Crash“ weit entfernt. Schließlich hat profil auch beim Finanzministerium nachgefragt, was an der „Wochenblick“-Prognose dran sei: „Wir können diesen Pleiten-Tsunami nicht bestätigen“, lautet die Antwort.
Ein Blick auf die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt zeigt im Übrigen, dass Österreich auch von einer „Massenarbeitslosigkeit“, vor der etwa auf Seite 36 des Magazins eindringlich gewarnt wird, weit entfernt ist. Die Arbeitslosenzahlen befinden sich aktuell etwa auf Vorkrisenniveau: Ende September gab es mit 268.028 beim AMS gemeldeten arbeitslosen Personen (ohne Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmer) sogar um 1129 Arbeitslose weniger als 2019, teilt das Arbeitsministerium mit. Die Arbeitslosigkeit liegt damit erstmalig unter dem Niveau der Vergleichswoche von 2019, also vor der Coronakrise.
Fazit
2021 lässt sich, über das gesamte Jahr betrachtet, ein großer Erholungseffekt der Wirtschaft beobachten. WIFO-Experte Ederer bilanziert: „Der Einbruch war letztes Jahr. Ökonomisch gesehen ist jetzt die Erholungsphase.“ Und das scheint sich auch bis Ende des Jahres so fortzusetzen: „Natürlich könnte eine neuerliche Gesundheitskrise einen Wirtschaftseinbruch bedingen.“ So ein Szenario sei aber konträr zu allen aktuellen Einschätzungen. Zusammengefasst ist die Aussage von „Wochenblick“ also als falsch einzustufen.