Mikl-Leitners Musterschule für Deutschpflicht hat keine Deutschpflicht
In Wiener Neustadt gibt es mittlerweile ein Beispiel, wo das (Deutschpflicht in den Pausen und am Schulhof, Anm.) umgesetzt wird und wo die Kinder unglaublich viel davon profitieren und eine unglaubliche Freude dabei haben.
Größtenteils falsch
Das Arbeitsübereinkommen zwischen der ÖVP und der FPÖ Niederösterreich, das im Vormonat präsentiert wurde, sorgte für Empörung und Heiterkeit: Heftig diskutiert wurde über Projekte wie den Corona-Fonds, Fördergelder für Wirtshäuser mit traditioneller Speisekarte und: Über die Aufforderung an Schulen, eine Deutschpflicht während den Pausen in der Hausordnung durchzusetzen.
Gleich an drei Stellen des Arbeitsübereinkommens (Seite 8, 9 und 16) wird die Deutschpflicht erwähnt. Bedenken dagegen gibt es viele: Sprachgebote hätten keinerlei deutsch-fördernden Nutzen, monieren Sprachwissenschaftler. Juristen halten die Maßnahme für diskriminierend und rechtlich nicht machbar. Angesprochen auf „verfassungsrechtliche Bedenken“ an der Deutschpflicht, verwies ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner in der ZIB2 auf eine angebliche Muster-Schule: „In Wiener Neustadt gibt es mittlerweile ein Beispiel, wo das umgesetzt wird und wo die Kinder unglaublich viel davon profitieren und eine unglaubliche Freude dabei haben.“
Auf Nachfrage des profil-Faktenchecks, erklärt die ÖVP, welche Schule damit gemeint war: Die Wiener Neustädter Otto-Glöckel-Volksschule. Das einzige Problem: Eine Deutschpflicht gibt es dort gar nicht.
Direktorin klärt auf: Nur Empfehlung
Die Otto-Glöckel-Volksschule gehört zu jenen Schulen mit dem höchsten Migrationsanteil in ganz Niederösterreich. Die Sprachenvielfalt unter den Schülern ist groß: „Es gibt 13 unterschiedliche Erstsprachen”, sagt Direktorin Ariane Schwarz im Gespräch mit profil. Allerdings betont Schwarz: „Eine Deutschpflicht gibt es bei mir an der Schule natürlich nicht.“ Stattdessen werden die Kinder ermuntert und erinnert, Deutsch zu sprechen. Freundschaften würden sich unabhängig vom Migrationshintergrund der Kinder bilden, da sei Deutsch oft der kleinste gemeinsame Nenner. Schwarz: „Wir bestrafen die Kinder in keinster Form, wenn sie sich nicht auf Deutsch unterhalten. Es gibt nur die Empfehlung.“ Die Lehrkräfte weisen darauf hin, dass sie die Kinder nur verstehen können, wenn sie Deutsch sprechen. Das funktioniere laut Schwarz sehr gut. In emotionalen Situationen, bei Trauer oder Freude, würden die Kinder allerdings oft ihre Erstsprache verwenden. „Darauf nehmen wir natürlich Rücksich“, sagt die Direktorin.
Hausordnung belegt: Keine Deutschpflicht
profil liegt die Schul- und Hausordnung der Volksschule vor. „Komme pünktlich“ oder „Sorge für Ordnung in der Garderobe“ sind darin aufgelistete Punkte. Regelungen zur Verwendung der deutschen Sprache auch in Pausen und am Schulhof finden sich dort keine ─ anders als Mikl-Leitner im ORF-Interview insinuiert. Das sei auch nicht angedacht, heißt es von Seiten der Direktorin. Schließlich würden Regeln auch bedeuten, deren Verstoß zu ahnden: „Ich würde keine Sanktionen daran knüpfen”, sagt Schwarz. Genau die Hausordnungen sind es aber, die ÖVP und FPÖ in ihrem Arbeitsübereinkommen explizit erwähnen. Der Wortlaut: „Die Forcierung der Verwendung der deutschen Sprache auch in Pausen und am Schulhof durch Aufnahme in die schulautonom zu beschließenden Hausordnungen.“
Was sagt die ÖVP dazu?
Wie kommt die Landeshauptfrau zu ihrer Behauptung? Auf eine profil-Anfrage reagierte Mikl-Leitner nicht selbst; stattdessen antwortete das Büro von Christiane Teschl-Hofmeister, ÖVP-Landesrätin für Bildung und Soziales. Und sie relativiert das Statement der Landeshauptfrau. Von einer Deutschpflicht will die ÖVP-Landesrätin nun nicht mehr sprechen, sie schreibt lediglich von einer „dringenden Empfehlung zu Schulbeginn, im Schulalltag und auch in den Pausen, Deutsch als gemeinsame Sprache zu verwenden und Deutsch auch als Umgangssprache in Freizeit und Spiel anzuwenden“. Betont wird von Seiten der ÖVP zu der im Arbeitsübereinkommen verankerten Maßnahme außerdem: „Vielmehr geht es darum, Schulen mit einem hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache ein weiteres Unterstützungsinstrument zur Verfügung zu stellen, um im Miteinander an der Schule die Wichtigkeit der deutschen Sprache in den Mittelpunkt zu stellen und das Sprechen der deutschen Sprache positiv, also mit Lob, zu besetzen.“
Isabella Zins, die Sprecherin der AHS-Direktoren in Niederösterreich, kennt derzeit „keine Schule, in der es eine Deutschpflicht gibt“. Sie bedauert, dass das wichtige Thema der Sprachförderung derart „politisiert“ werde. „Deutschförderung mit mehrsprachigem Zusatzpersonal ab dem Kindergarten“ sei aber sinnvoll, so Zins.
Fazit
Mikl-Leitners Musterschule für die Deutschpflicht hat die Maßnahme so nie umgesetzt und in ihrer Hausordnung nicht festgeschrieben. Es gibt zwar eine klare Empfehlung, in der Pause Deutsch zu sprechen, aber keinerlei Sanktionen, falls die Kinder ihre Erstsprachen verwenden. Die Aussage der Niederösterreichischen Landeshauptfrau ist daher als größtenteils falsch einzustufen.
Hinweis: Die Direktorin der Volksschule heißt Ariane Schwarz. In der ursprünglichen Version dieses Artikels wurde sie fälschlicherweise als "Alice Schwarz" bezeichnet. Die Redaktion bedauert dieses Versehen.