Mit welchen kruden Theorien Rechtsextreme den Klimawandel leugnen
„Panik“, „Hysterie“ und „neureligiöser Unsinn“, das und nur das sei der menschengemachte Klimawandel; gestreut von einer „globalen Elite“ mit dem Ziel, eine neue Wirtschaftsordnung zu etablieren. Diese und ähnliche Erzählungen bekommt man bei „AUF1“ in Dauerschleife zu hören, einem rechtsalternativer Onlinekanal aus Linz und zentralem Sprachrohr für Verschwörungstheoretiker im deutschsprachigen Raum. Während es um die Pandemie zuletzt ruhiger geworden und quergedachte Theorien zum Ukraine-Krieg seltener werden, rückt der Klimawandel immer stärker in den Fokus. Denn nach dem Corona-Lockdown drohe die „Klimadiktatur“ – inszenierte Panikmache, um die Menschen in ihrem täglichen Leben einzuschränken.
Laut „AUF1“ sei es nicht lange her, dass die „Mainstream-Medien“ noch mit wissenschaftlichen Fakten gegen den „Klimaschwindel“ (so die Doktrin des Webportals) argumentiert haben. Der Begriff steht auch über einem im November 2022 veröffentlichten Video, das in rund acht Minuten die angeblich „wahren Fakten“ zur globalen Erwärmung darlegt. In sozialen Medien wurde der Bericht tausendfach geteilt. Angesichts der Absurdität vieler Argumente schütteln führende Fachleute allerdings den Kopf. Die zentralen Verschwörungserzählungen zum Klimawandel im Faktencheck.
Dieser Text entstand in Kooperation mit dem deutschen Team von „Correctiv.Faktencheck".
Als vermeintlichen Beweis der These der menschengemachten Klimaerwärmung führen die Klimaalarmisten gebetsmühlenartig an: 97 Prozent der Wissenschaftler würden diese These unterstützen. Doch das stimmt schlicht und ergreifend nicht, wie auch der ‚Spiegel‘ im Jahr 2014 feststellte. Die Aussage geht auf eine manipulative Studie des Wissenschaftlers John Cook zurück.
Falsch
Im „AUF1“-Video wird bestritten, dass die Mehrheit der Wissenschaft an einen menschengemachten Klimawandel glaube. Fest steht jedoch: Die Einigkeit der Forschung zu dem Thema ist unzweifelhaft; dazu gibt es unzählige, voneinander unabhängige Arbeiten. Im Jahr 2004 wurden zum ersten Mal sämtliche, wissenschaftlich geprüfte Studien zum globalen Klimawandel untersucht. Nicht ein einziges Papier bestritt den Konsens, dass der Mensch Hauptursache der globalen Erwärmung sei. Spätere Forschungsarbeiten bestätigten den Befund – wie auch die groß angelegte Studie des australischen Kognitionswissenschafters John Cook 2013, die „AUF1“ explizit herausgreift. Das Ergebnis des Papiers: Weniger als ein Prozent der rund 12.000 untersuchten Arbeiten widersprachen ausdrücklich dem Einfluss des Menschen auf den Klimawandel. Rund zwei Drittel der Studien erwähnten die Gründe der globalen Erwärmung jedoch nicht explizit – was nicht als fehlender Konsens ausgelegt werden kann, wie von „AUF1“ suggeriert; vielmehr ging es darin schlicht um Detailfragen zu Klimawandel oder -schutz. Von den Studien, die sich zur Ursache der Erderwärmung äußerten, stimmten 97 Prozent mit der Theorie des menschengemachten Klimawandels überein.
Das verneint auch der „Spiegel“ nicht so, wie „AUF1“ behauptet. Die deutsche Wochenzeitung beklagte 2014 zwar, dass große Fragen zur genauen Gefahr durch den Klimawandel in der Studie offenblieben. Allerdings heißt es auch explizit: „Wissenschaftler sind sich weitgehend einig, dass der Mensch zur Klimaerwärmung beiträgt. Selbst hartgesottene Kritiker der Klimaforschung zweifeln nicht an dem physikalischen Grundsatz, dass Treibhausgase aus Autos, Fabriken und Kraftwerken die Luft wärmen.“ Der von „AUF1“ zitierte Kognitionswissenschafter Cook evaluierte 2016 außerdem: Je größer die Expertise der Fachleute, desto größer die Zustimmung. Im Bericht des Weltklimarates (IPCC), der sich aus anerkannten Experten aus aller Welt zusammensetzt, wird der Klimawandel ebenfalls eindeutig als „menschengemacht“ bezeichnet.
Zahlreiche andere, rezente Studien, wie unter anderem Arbeiten des US-amerikanischen Geologen James Powell, die zwischen 2012 und 2019 erschienen sind, bestätigen gleichfalls: 99,9 bis 100 Prozent der Autoren tausender, untersuchter, wissenschaftlicher Studien waren der Überzeugung, dass der Mensch für den Klimawandel hauptverantwortlich ist. Eine Aufstellung eines Forschungsinstituts der Regierung des US-Bundesstaats Kalifornien listet knapp 200 Wissenschaftsorganisationen auf der ganzen Welt, die die Auffassung teilen, dass der Klimawandel menschengemacht ist.
Und kann eine leichte Erhöhung der Durchschnittstemperatur tatsächlich solch katastrophale Folgen nach sich ziehen, wie die Klimapaniker unablässig behaupten? Erst Ende August erklärten über 1.100 Wissenschaftler aus 15 Ländern: ‚Es gibt keinen Klimanotstand‘. Ins Leben gerufen wurde die Erklärung vom norwegisch-amerikanischen Physiker und Nobelpreisträger Ivar Giaever.
Falsch
„AUF1“ suggeriert, dass eine leichte Erwärmung der Erde keine schlimmen Folgen für die Umwelt nach sich ziehe. Fachleute widersprechen vehement. Bereits kleine Temperaturanstiege bewirken einen enormen Unterschied: Überschwemmungen, Dürren, Stürme, Gletscherschmelze oder die Verschiebung von Klimazonen sind bereits heute spürbar und werden künftig verstärkt auftreten, heißt es etwa vom österreichischen Umweltbundesamt.
Laut IPCC-Bericht tritt ein Hitze-Wetterextrem, wie es zwischen 1850 und 1900 nur einmal in 50 Jahren vorkam, bei nur eineinhalb Grad globalem Temperatursteigerung fast neunmal so oft auf; bei zwei Grad sogar knapp 14-mal. „Pro Grad Erwärmung fallen Extremwetterereignisse im Niederschlag außerdem um zehn Prozent stärker aus“, erklärt Karl Steininger, Klimaökonom am Wegener Center in Graz, gegenüber profil – und verweist auf ausgeprägte Murenabgänge in der Oststeiermark: „In dieser Region ist die Temperatur in den letzten 40 Jahren im Sommer um drei Grad gestiegen.“ Weitere alarmierende Beispiele, die sich selbst bei minimal höheren Temperaturen häufen: aussterbende Korallenriffe, steigende Meeresspiegel, auftauende Permafrostböden.
Verschwörungsmythen in Dauerschleife
Der Onlinesender „AUF1“ mit Sitz in Linz ist einer der erfolgreichsten Kanäle für Corona-Leugner, Putin-Fans und Verschwörungstheoretiker im deutschsprachigen Raum. Zuletzt hat der oberösterreichische Sender sogar nach Deutschland expandiert, berichtet in einer eigenen Sendung direkt aus Berlin. Hinter dem rechtsalternativen Kanal steckt Stefan Magnet: Der „AUF1“-Betreiber und -Chefredakteur hat eine lange Geschichte in der rechtsextremen Szene in Österreich; war Mitglied des neonazistischen Bundes freier Jugend (BfJ) und trat gemeinsam mit Neonazi Gottfried Küssel auf. Zudem betreibt Magnet eine eigene Werbeagentur, die regelmäßig Aufträge der oberösterreichischen Landesregierung sowie der FPÖ erhielt. Bereits 2013 produzierte seine „MS Medienlogistik“ Werbespots für das Bundesland – etwa zum Naturschutz. Die genaue Finanzierung von „AUF1“ bleibt undurchsichtig.
Als vermeintlichen Beweis führt „AUF1“ eine Erklärung von über 1.000 Wissenschaftern an, die sich im vergangenen Sommer wie ein Lauffeuer verbreitete: „Es gibt keinen Klimanotstand“, behaupten darin mitunter bekannte Persönlichkeiten wie Ivar Giaever, der für seine Arbeiten zu Supraleitern 1973 den Physik-Nobelpreis gewann. Allerdings: Nur wenige der Unterzeichnenden sind tatsächlich Klimaforscher, etliche haben Verbindungen in die Ölindustrie, andere zu klimawandelskeptischen Organisationen, wie das globale Wissenschaftsnetzwerk „Climate Feedback“ analysierte.
Bis 2060 werde die durchschnittliche Temperatur um weniger als 0,4 Grad ansteigen, stellte Spaniel (Dirk Spaniel, AfD-Abgeordneter im deutschen Bundestag, Anm.) klar. Sämtliche Katastrophenszenarien im Klimabericht (des IPCC, Anm.) seien auf hunderte Jahre berechnet und gingen davon aus, dass nichts gegen Treibhausgase unternommen werde.
Falsch
Abgeordnete der rechtspolitischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) sind in den Beiträgen von „AUF1“ gern gesehene Gäste – zum Beispiel Dirk Spaniel. Der verkehrspolitische Sprecher der Partei war zuvor in einem Automobilunternehmen tätig, heute tritt er - gemeinsam mit den österreichischen Freiheitlichen - lautstark für den Erhalt von Verbrennungsmotoren ein. Und verharmlost den Klimawandel: Bis 2060 werde die Temperatur ohnehin nur „um weniger als 0,4 Grad steigen“, zitiert ihn der Sender „AUF1“ in seinem Video. Tatsächlich hat Spaniel diese Aussage in Bezug auf den Bericht des Weltklimarates so getätigt.
Allerdings liegt der AfD-Politiker damit insgesamt daneben. Das österreichische Umweltbundesamt erklärt eindeutig: „Selbst bei einem vollständigen Stopp des Ausstoßes von Treibhausgasen ist eine weitere Temperaturerhöhung unvermeidbar.“ Der aktuelle IPCC-Bericht besagt: Die Wahrscheinlichkeit, dass die globale Erwärmung bis 2040 eineinhalb Grad oder mehr erreichen wird, liegt bei über 50 Prozent. Und das selbst bei „enormer Einsparung von Treibhausgasen“, wie Umweltökonom Steininger erklärt. Denn: „Das Problem ist, dass aktuelle Anstrengungen zur Verringerung von Emissionen erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Wirkung zeigen.“ CO2 - auch das schon früher ausgestoßene - bleibe schließlich über 100 Jahre in der Atmosphäre, sagt der Experte. Aus einem Bericht der UN-Weltwetterorganisation aus dem Jahr 2022 geht außerdem hervor, dass die globale Durchschnittstemperatur mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit bereits in den nächsten fünf Jahren die Schwelle von eineinhalb Grad mindestens einmal überschreiten wird; bereits jetzt liegt die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bei rund einem Grad.
So weist etwa der NASA-Klimaforscher Dr. Roy Spencer auf die Fehleranfälligkeit der Klimamodelle hin. Denn diese seien nur so gut wie ihre Grundannahmen. Sei nur eine einzige Annahme falsch, könne die Vorhersage völlig daneben gehen. Und es sind hunderte solcher Annahmen, die in die Modelle einfließen. Allen Modellen liegt die Annahme zu Grunde, dass CO2 die Hauptursache für den Klimawandel sei. Nicht die Sonne und nicht die Wolken, so Dr. Spencer.
Irreführend
„Klimamodelle sind nur so gut wie ihre Grundannahmen.“ Dieser Behauptung im „AUF1”-Video ist grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings wird aktuellen Klimaprognosen an dieser Stelle Fehleranfälligkeit unterstellt, da diese CO2 als Hauptursache für die globale Erwärmung heranziehen – und nicht die Sonne oder die Wolken. Gestützt wird die Theorie auf Roy Spencer, einem US-amerikanischen NASA-Klimatologen und lautstarken Skeptiker der menschengemachten Klimaerwärmung (eine Auswahl seiner Aussagen zum Klimawandel findet sich hier).
Der CO2-Ausstoß habe die größte Auswirkung auf den Klimawandel, meint Klimaökonom Steininger gegenüber profil. Deswegen werde dieser freilich auch seriösen Klimamodellen zugrunde gelegt: „Die aktuellen Temperatursteigerungen lassen sich mit natürlichen Schwankungen nicht erklären – nur durch menschlichen Einfluss.“ Auch aus unzähligen, unabhängigen Studien geht hervor, dass der Einfluss natürlicher Faktoren wie etwa Sonnenaktivität auf das Klima dagegen gering sei. In einem Bericht des US-amerikanischen „Global Change Research Program“, an dem auch die NASA mitwirkte, heißt es zum Beispiel: Zu den „wichtigen Klimafaktoren im Industriezeitalter“ gehören neben menschlichen, auch „in geringerem Maße“ Aktivitäten natürlichen Ursprungs. Aus einer Studie der US-Weltraumbehörde NASA selbst aus dem Jahr 2012 geht ebenfalls hervor: Durch menschliche Aktivitäten erzeugte Treibhausgase - und nicht etwa Veränderungen der Sonnenaktivität - sind die Hauptantriebskraft der globalen Erwärmung. Das österreichische Umweltbundesamt erklärt unmissverständlich: „Maßgeblicher Verursacher dieser Krise ist der Mensch.“
Dass Klimamodelle generell „fehleranfällig“ sind, wie es bei „AUF1“ heißt, können Fachleute nicht nachvollziehen. Bereits Prognosen aus den 1970er Jahren haben die physikalischen Verhältnisse zutreffend eingeschätzt, wie aus einer Studie der „University of California“ in Berkley hervorgeht. Im Übrigen geben renommierte Forschungseinrichtungen wie auch der Weltklimarat zu ihren Prognosen stets an, mit welcher Wahrscheinlichkeit diese auftreten; auch Unsicherheiten werden transparent gemacht.
In der Erdgeschichte gab es Zeiten mit drei Mal, ja sogar mit zehn Mal so viel CO2 wie heute. Hätte CO2 also einen so großen Einfluss auf das Klima, dann hätte sich die Erde damals massiv erwärmen müssen.
Größtenteils falsch
Das „AUF1“-Video suggeriert, dass CO2 – ganz gleich, woher es stammt – keinen relevanten Einfluss auf die globale Erwärmung habe. Doch was ist dran? Wir haben mehrere Fachleute angeschrieben und gefragt, ob die von Shaviv aufgestellten Behauptungen so stimmen.
Martin Claußen, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, und Thomas Stocker, Klimaforscher des Physikalischen Instituts der Universität Bern, schreiben uns auf Nachfrage, dass es stimmt, dass es in der Erdgeschichte Zeiten mit höheren CO2-Werten als heute gegeben habe. Beispielsweise sei die CO2-Konzentration vom Kambrium bis zum Karbon (die Zeit circa 540 bis 400 Millionen Jahre vor heute) laut verschiedenen Schätzungen 5 bis 30 Mal höher als heute gewesen, schreibt uns Claußen. In den letzten 60 Millionen Jahren sei die CO2-Konzentration laut Stocker maximal fünf Mal höher als heute gewesen.
Im Vergleich zu den letzten 2,6 Millionen Jahren „sind die heutigen Konzentrationen erheblich erhöht“, schildert Claußen. Hinzu komme, dass die Zunahme der CO2-Konzentration im Wesentlichen während der letzten circa 200 Jahre passiert sei. „Das ist im Vergleich mit vergangenen CO2-Änderungen – sieht man mal von großen Katastrophen wie dem Asteroideneinschlag vor gut 64 Millionen Jahren ab – atemberaubend schnell,“ erklärt Claußen.
Auch kommt der Weltklimarat (IPCC) in seinem Bericht (Seite 676) von 2021 zu dem Ergebnis, dass die derzeitigen CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre beispiellos in den letzten zwei Millionen Jahren seien. „In den vergangenen 60 Millionen Jahren gab es in der Erdgeschichte Perioden, in denen die CO2-Konzentrationen signifikant höher waren als heute, aber mehrere Beweise zeigen, dass die Geschwindigkeit, mit der CO2 in der Atmosphäre zugenommen hat zwischen 1900 und 2019 mindestens zehn Mal schneller ist als zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten 800.000 Jahren.“
Einfluss von CO2 auf die globale Erwärmung ist eine anerkannte wissenschaftliche Tatsache
Um den Einfluss von CO2 auf die globalen Temperaturen zu verstehen, muss man den natürlichen Treibhauseffekt betrachten: Treffen Sonnenstrahlen auf die Oberfläche der Erde, wird ein Drittel der Strahlen reflektiert, zwei Drittel werden von der Erde „aufgenommen“ und als Wärme wieder abgestrahlt. Dass die abgestrahlte Wärme nicht einfach ins Weltall entweicht, liegt an der Zusammensetzung der Atmosphäre der Erde. Treibhausgase wie CO2 oder Methan sind sogenannte „infrarotaktive“ Gase und können daher Wärme absorbieren. Das ermöglicht es, dass die Erde überhaupt bewohnbar ist. Ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt läge die Durchschnittstemperatur auf der Erde im zweistelligen Minusbereich. Doch steigt die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre, wird auch mehr Wärme auf die Erde zurückgestrahlt und es kommt zu globaler Erwärmung. Diese grundlegenden physikalischen Zusammenhänge der erwärmenden Wirkung von Treibhausgasen auf das Klima sind seit mehr als einem Jahrhundert bekannt, schreibt das IPCC. Anders als Nir Shaviv behauptet, ist es laut IPCC eine anerkannte wissenschaftliche Tatsache, dass die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen Hauptursache der globalen Erwärmung sind.
Es ist ein wissenschaftlicher Fakt, dass CO2 einen Einfluss auf das Klima hat. Zwar stimmt es, dass es in der Erdgeschichte Zeiten mit höheren CO2-Werten als heute gab, allerdings ist der aktuelle Wert beispiellos für die letzten zwei Millionen Jahre und der Anstieg vollzieht sich zudem sehr schnell. Dass die Erde sich in der Vergangenheit trotz hoher CO2-Konzentration nicht immer zwangsläufig erwärmte, liegt laut Experten unter anderem an natürlichen Rückkopplungseffekten des geologischen Kohlenstoffkreislaufes. Für die letzten 60 Millionen Jahre ist nachgewiesen, dass mit einem steigenden CO2-Wert auch die globalen Temperaturen steigen – und umgekehrt, daher ist die „AUF1“-Aussage größtenteils falsch.
Der Gründungsdirektor des internationalen Arktis-Forschungszentrums [...] Professor Akasofu machte klar: „Eisklumpen, die sich aus der Antarktis lösen, hat es zu allen Zeiten gegeben. Nur heutzutage fangen Satelliten diese Bilder ein. Eis fließt immer. Abbrechende Eisschollen in der Arktis sind nichts neues. [...] Die Klimakatastrophe existiert nicht.“
Größtenteils falsch
Nur weil Eis in der Arktis und Antarktis auch in der Vergangenheit abgebrochen und geschmolzen ist, heißt das nicht, dass der Mensch keinen Einfluss auf das Klima habe, schreibt uns die Glaziologin Angelika Humbert. „Es kann mehr als nur einen Grund geben, warum Eismassen schmelzen.“ Dazu gehören natürliche Veränderungen im Klimasystem und der Atmosphäre – aber auch menschengemachte Beiträge könnten auf das Schmelzen von Eismassen einen Einfluss haben, so die Glaziologin.
Dass das arktische und antarktische Eis in der Vergangenheit auf natürliche Klimaveränderungen reagierte, wird in der Klimaforschung nicht bestritten. So heißt es etwa im IPCC-Bericht von 2021 (Seite 47), dass paläoklimatische Aufzeichnungen und Modellierungen belegen, dass die Masse der Eisschilde und der mittlere globale Meeresspiegel über mehrere Jahrtausende dynamisch reagiert hätten.
Die Arktis erwärmt sich doppelt bis dreifach so schnell wie der Rest der Erde
Wie unter anderem das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) und der Deutsche Wetterdienst in einer Publikation schreiben, schrumpft das Meereis in der Arktis seit Beginn der Satellitenmessungen 1979. „Sowohl das Eisvolumen in der Arktis als auch die dort mit Eis bedeckte Ozeanfläche sind stetig zurückgegangen – um durchschnittlich mehr als zehn Prozent pro Dekade.“ Laut IPCC (Seite 8) erreichte die durchschnittliche jährliche arktische Meereisfläche im Zeitraum 2011 bis 2020 den niedrigsten Stand seit mindestens 1850. Es sei zudem wahrscheinlich, dass die arktische Meereisfläche in den Spätsommern kleiner war als jemals zuvor in den vergangenen 1000 Jahren.
Die Größe der Eisfläche an den Polen sei wichtig in Bezug auf den Klimawandel, schreibt die Nasa: Das Eis reflektiere mit seiner hellen Oberfläche 50 bis 70 Prozent der Energie der Sonne zurück ins Weltall (der sogenannte Albedo-Effekt). Wenn es im Sommer schmelze, entblöße es die dunkle Oberfläche des Meeres, die 90 Prozent des Sonnenlichtes absorbiere. Das führt zu einem sich selbst verstärkenden Prozess. Gibt es weniger Meereis, wird mehr Strahlung aufgenommen und es kommt zu einer noch stärkeren Eisschmelze.
Der Weltklimarat kommt zu dem Ergebnis (Seite 426), dass es sehr wahrscheinlich sei, dass die Hauptursache für den arktischen Meereisverlust seit den späten 1970er Jahren die Treibhausemissionen durch den Menschen sind.
Wie die Seite Klimafakten erklärt, ist das Schmelzen des Landeises in der Antarktis klimatologisch gesehen besonders relevant, weil dadurch der Meeresspiegel deutlich steigt. „Etwa 60 Prozent des gesamten Süßwassers der Erde sind im antarktischen Eisschild gespeichert, und wenn er verschwände, würde das die Meeresspiegel um mehr als 50 Meter anschwellen lassen.“
Die von „AUF1“ getätigte Aussage ist daher größtenteils falsch. Es stimmt, dass Satellitenaufzeichnungen Ende der 1970er Jahre es ermöglicht haben, die Veränderungen des Eises in der Arktis und Antarktis detailliert zu dokumentieren. Trotzdem gibt es auch Forschungen mittels Klimaarchiven für davor liegende Zeiträume. In der Klimaforschung wird nicht bestritten, dass das Eis im Lauf der Erdgeschichte dynamisch auf natürliche Veränderungen, etwa der Temperaturen, reagierte. All das ist aber laut Expertinnen und Experten kein Beleg gegen den vom Menschen verursachten Klimawandel, sondern zeigt, wie empfindlich das System reagiert. Sowohl das Meer- als auch das Festlandeis am Nordpol schrumpfen seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen – Hauptursache dafür sind laut IPCC sehr wahrscheinlich die Treibhausemissionen der Menschen. Für das Meereis am Südpol gibt es keinen eindeutigen Trend, allerdings schwindet auch hier seit Jahrzehnten das Festlandeis. An beiden Polen hat sich dieser Prozess zudem beschleunigt.
Ein eindeutiges Beispiel für die Methoden der Systemmedien ist die Entwicklung des Great Barrier Reef vor Australien. [...] Die Wahrheit ist, dass das Great Barrier Reef wächst wie noch nie.
Größtenteils falsch
Ab Minute 6:45 liefert „AUF1“ nach eigener Aussage ein „eindrückliches Beispiel für die typischen Methoden der Systemmedien“, die im Hinblick auf den Klimawandel angeblich „systematisch mit Panikmache und Manipulation der Fakten“ arbeiten.
Im November 2021 habe die ARD in der Dokumentation „Kinder der Klimakrise“ über die Entwicklung des Great Barrier Reefs in Australien fälschlicherweise Folgendes berichtet: Das Ökosystem des Korallenriffs würde abrupt zusammenbrechen und es habe bereits mehr als die Hälfte seiner Korallen, vielleicht für immer, verloren. Dem widerspricht das „AUF1“-Video: „Die Wahrheit ist, dass das Great Barrier Reef wächst wie noch nie.“ Das Great Barrier Reef ist das größte Korallenriff der Erde und liegt an der Nordostküste Australiens.
Die ARD-Doku von November 2021 ist online nicht mehr abrufbar, aber aus einer Programmbeschreibung geht hervor, dass die Zitate im „AUF1“-Video offenbar stimmen. Für die Behauptung, das Great Barrier Reef wachse wie noch nie, liefert „AUF1“ keine Quellen. Möglicherweise bezieht sich die Behauptung auf eine Pressemitteilung des staatlichen Forschungszentrums Australian Institute of Marine Science (AIMS) von August 2022 mit dem Titel: „Höchste Korallenbedeckung im zentralen und nördlichen Riff seit 36 Jahren.“
Die AIMS-Pressemitteilung erschien also neun Monate nach der Ausstrahlung der Doku „Kinder der Klimakrise“ und konnte noch gar nicht in die ARD-Berichterstattung einfließen. Eine von der britischen nationalen Akademie der Wissenschaften veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2020 kam zu dem Ergebnis, dass das Riff – wie von der ARD berichtet – in einem Zeitraum von etwa 20 Jahren mehr als die Hälfte seiner Korallen verloren habe.
Als im August 2022 die Pressemitteilung von AIMS erschien, berichteten auch mehrere deutsche Medien über das Korallenwachstum in Australien, beispielsweise das ZDF, die Zeit – und die ARD.
Aber was ist dran an der Behauptung von „AUF1“, dass das Korallenriff wachse wie noch nie zuvor? Wir haben Expertinnen und Experten um Einschätzung gebeten.
Das AIMS teilt uns auf Nachfrage mit, dass die Äußerung von „AUF1“ nicht korrekt sei. Zwar sei die Korallenbedeckung im zentralen und nördlichen Teil des Riffs angestiegen und die höchste seit Beginn der Beobachtungen durch das Institut, also seit 36 Jahren. Aber parallel dazu sei im südlichen Teil des Riffs die Korallenbedeckung zurückgegangen.
Grundsätzlich würden die Ergebnisse zeigen, dass sich das Riff auch in Zeiten intensiver Störungen, etwa der Massenbleiche in den Jahren 2020 und 2022, erholen könne. Wichtig seien jedoch Langzeitbeobachtungen in den Regionen des Riffs. Hohe Temperaturen im Ozean und starke Sonneneinstrahlung lösen bei Korallen Stress aus, der zum Bleichen führt. „Wenn Korallen bleichen, stoßen sie die Algen aus, die ihnen ihre Farbe verleihen und die Korallen durch Photosynthese mit Nahrung versorgen,“, erklärt das AIMS. Die Korallenbleiche führe nicht immer zum Tod, „sie kann jedoch zu vermindertem Wachstum, geringerer Reproduktionsleistung und weniger Jungtieren führen, und es gibt Hinweise darauf, dass sie die Korallen anfälliger für Krankheiten macht.
Aus dem Wachstum der Steinkoralle zu folgern, dass der Klimawandel keinen Einfluss mehr auf das Riff habe, sei falsch, stellt das AIMS uns gegenüber klar: „Der Klimawandel wirkt sich weiterhin auf das Riff aus und wird als die größte Bedrohung angesehen. Die negativen Auswirkungen des Klimawandels drohen, die natürlichen Anpassungsraten des Riffs zu überholen.
Die Versauerung des Meeres sei ein weiteres Problem für das Riff, schreibt das AIMS. Die Ozeane haben circa 30 Prozent des vom Menschen verursachten CO2 aufgenommen. Dadurch verändert sich die Chemie des Wassers, der PH-Wert sinkt, wie das IPCC (Seite 16) erklärt. Jüngste Forschungsergebnisse zeigten laut AIMS, dass diese Versauerung der Ozeane am Great Barrier Reef rasch zunimmt – und das bleibt nicht ohne Folgen: „Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Versauerung die Zahl der Babykorallen und der Korallenalgen, die zum Zusammenhalt der Korallen beitragen, negativ beeinflusst und an Standorten mit hohem CO2-Gehalt unerwünschte Algen gedeihen lässt.“
Laut IPCC (Seite 5) sind wahrscheinlich der menschliche Einfluss und die vom Menschen verursachten CO2-Emissionen Haupttreiber für die Erwärmung der Ozeane und ihre Versauerung.
Auch diese Aussage ist größtenteils falsch. Anders als von „AUF1“ behauptet, hat die ARD Fakten in einer Dokumentation über das Great Barrier Reef nicht manipuliert. Dass das Riff wachse wie nie, ist laut dem Australian Institute of Marine Science nicht korrekt. Zwar ist die Korallenbedeckung in einigen Teilen des Riffs in den Jahren 2021 und 2022 angestiegen und auf dem höchsten Wert seit 36 Jahren, gleichzeitig ist sie im südlichen Teil jedoch gesunken. Zudem breitet sich vorrangig eine schnellwachsende, aber zugleich sehr empfindliche Korallenart aus, deren Bestand durch Störungen leicht wieder zurückgehen kann. Mit dem Wachstum der Korallen zu suggerieren, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel keinen Einfluss mehr auf das Riff hat, ist falsch. Dieser stellt nach wie vor die größte Gefahr für das Ökosystem dar.