Riedls Lärmschutzwand: Warum die Gemeinde auf Kosten sitzen bleibt
Der Marktgemeinde Grafenwörth werden durch die Errichtung der Lärmschutzwand keinerlei Kosten entstehen. 180.000 Euro werden von der Asfinag erstattet.
Falsch
Dass ausgerechnet eine Lärmschutzwand derart für Wirbel sorgt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Doch ist es in der niederösterreichischen Gemeinde Grafenwörth, in der ÖVP-Bürgermeister und Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl das Sagen hat, ohnehin schon länger nicht mehr besonders still gewesen.
Riedl geriet bereits vor einiger Zeit wegen lukrativer Grundstücksdeals – inklusive passender Umwidmung – in die Kritik. Ein ehrgeiziges Wohnbauprojekt namens „Sonnenweiher“ spülte auf diese Weise auch dem Bürgermeister Geld in die Tasche. Vor knapp drei Wochen langte dann die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch die Grüne Infrastrukturministerin Leonore Gewessler im Nationalrat ein, in der es um die 2021 erfolgte Erhöhung einer Lärmschutzwand zwischen der Stockerauer Schnellstraße S5 und der künftigen „Sonnenweiher“-Siedlung ging. Demnach hätte die Umwidmung von Grundstücken für das Bauprojekt ohne Aufstockung auf 4,5 Meter nicht erfolgen können. Die Gemeinde bezahlte laut Anfragebeantwortung 350.000 Euro für die Wand – profil berichtete.
Wirbel um eine Wand
Die Lärmschutzwand dürfte Voraussetzung dafür gewesen sein, dass die privaten Grundstücke von Bürgermeister Riedl zu Bauland umgewidmet werden konnten. profil-Recherchen zeigen, dass die Gemeinde zum Teil auf den Kosten der Wand sitzen blieb.
Behauptung des Ortschefs
Finanzierte die Gemeinde Grafenwörth unter Bürgermeister Riedl eine Schallschutzwand, von der auch Ried privat profitiert haben dürfte? Der Ortschef behauptet standhaft, seine Gemeinde hätte gar keine finanzielle Belastung. Erst am vergangenen Montag beteuerte Riedl in einem Interview mit der „Kronen Zeitung“ erneut, der Marktgemeinde Grafenwörth würden durch die Errichtung der Lärmschutzwand „keinerlei Kosten entstehen“. Denn: „180.000 Euro werden von der Asfinag erstattet.“
Insgesamt kostete die Wand exakt 350.000 Euro. Knapp die Hälfte davon, nämlich 170.000 Euro, verrechnete die Gemeinde an jene Projektfirma weiter, welche die umstrittene „Sonnenweiher“-Siedlung mit mehr als 200 Häusern und einem Foliensee realisieren will.
Doch was passierte mit den restlichen 180.000 Euro? Kam oder kommt dafür die staatliche Autobahngesellschaft Asfinag auf, wie Riedl behauptet?
profil-Recherchen sprechen dagegen.
Asfinag zahlte nicht
Das Projekt Lärmschutzwand wurde im Juli 2018 vom Grafenwörther Gemeinderat einstimmig abgesegnet. Dem vorliegenden Protokoll zufolge erfolgte dies unter der Annahme, dass der „von der Gemeinde zu leistende Zuschuss“ bis zu 170.000 Euro beträgt – und dieser Betrag an den Projektentwickler weiterverrechnet wird.
Tatsächlich ist das Gemeinderatsprotokoll so formuliert, als würde die Asfinag die restlichen Kosten tragen. Die Finanzierungsvereinbarung für die Lärmschutzwand zwischen Asfinag und Gemeinde wurde allerdings erst im November 2020 unterfertigt. 2021 stockte die Asfinag die Wand entlang der Schnellstraße S5 dann tatsächlich von zwei Metern auf viereinhalb Meter auf. Und die Gemeinde Grafenwörth überwies in zwei Teilrechnungen die gesamten Kosten von 350.000 Euro an die Autobahngesellschaft. profil liegen die Buchungszeilen dazu vor.
Darüber hinaus weist auch der Rechnungsabschluss der Gemeinde für das Jahr 2021 diese Kosten unter dem Punkt „Lärmschutz Grafenwörth“ aus. Gleichzeitig werden hier Einnahmen in der Höhe von knapp 170.000 Euro angeführt, die vom Projektentwickler stammen. Bleibt unterm Strich ein Minus von gut 180.000 Euro. Also keine Spur von einer Finanzierung durch die Asfinag.
Die Autobahngesellschaft betont mit Nachdruck, dass das Projekt von Riedls Kommune bezahlt wurde: „Dass der Gemeinde keinerlei Kosten entstehen, weisen wir auf das Schärfste zurück“, heißt es von der Asfinag. Laut profil-Infos schickte die Geschäftsführung der Autobahngesellschaft in der Vorwoche einen Brief an Riedl – mit eben diesem Inhalt. Die Autobahnverwalter berufen sich dabei auf eine Dienstanweisung des Verkehrsministeriums aus dem Jahr 2018, derzufolge Lärmschutzwände nur in Wohngebieten von der Asfinag selbst zu bezahlen sind. Im Falle Grafenwörths wurde die Wand zunächst vor einem Acker hochgezogen. Deshalb war das Vorhaben von der Gemeinde selbst zu finanzieren.
Wie aber kommt Riedl darauf, dass die Asfinag der Gemeinde einen Teil der Kosten für die Wand erstatten würde?
„Die Kosten für die Lärmschutzwand wurden durch die Gemeinde getragen. Und zwar unabhängig davon, ob uns die Gemeinde irgendwann eine Rechnung für andere Dinge stellt.“
Was im Vertrag steht
profil liegen Auszüge des Vertrages zwischen Grafenwörth und der Autobahngesellschaft vor. Neben der Lärmschutzwand wurden darin auch andere Themen paktiert.
Eines davon betrifft eine Wildtierpassage: Die Asfinag muss aufgrund einer Umweltverträglichkeitsprüfung aus dem Jahr 2005 an der S5 im Bereich des Gemeindegebietes Grafenwörth entweder einen zusätzlichen Übergang für den Wildwechsel bauen oder einen bestehenden Durchlass verbreitern. Zweiteres wäre deutlich billiger. Dafür ist allerdings eine Zustimmung der privaten Grundeigentümer und der Jäger nötig, außerdem müsste ein Gemeindeweg verlegt werden. Sollte Grafenwörth die Asfinag dahingehend unterstützen, bekäme die Gemeinde dafür 150.000 Euro als sogenanntes „Akzeptanzentgelt“ (eine Art Bonus, Anm.). Laut Asfinag ist eine derartige Zahlung bisher aufgrund der „nicht bestehenden Bereitschaft der Grundeigentümer“ jedoch nicht erfolgt.
In einem weiteren Vertragspunkt geht es um eine Datenleitung, die von der Asfinag ohne Zustimmung auf Gemeindegebiet verlegt wurde. Sollte die Gemeinde der Asfinag die Nutzung des Gemeindegrunds gestatten, würde sich die Autobahngesellschaft die Neuverlegung sparen und der Gemeinde dafür 30.000 Euro überweisen. Auch das ist bis jetzt nicht passiert.
Beide Vertragspunkte summieren sich zwar auf 180.000 Euro – haben aber mit der Lärmschutzwand nichts zu tun. Die Autobahngesellschaft dazu: „Die Kosten für die Lärmschutzwand wurden durch die Gemeinde getragen. Und zwar unabhängig davon, ob uns die Gemeinde irgendwann eine Rechnung für andere Dinge stellt.“
Fazit
Alles spricht dafür, dass Riedls Darstellung einer angeblichen Kostenerstattung durch die Asfinag nicht den wirtschaftlichen Tatsachen entspricht. Bedeutet das auch, dass die Gemeinde den Betrag für die Wand bezahlt hat, ohne dass es dafür einen Gemeinderatsbeschluss gab?
Seitens der Gemeinde Grafenwörth hieß es zuletzt auf profil-Anfrage: „Bei Umsetzung aller mit der Asfinag vereinbarten Maßnahmen wird der Marktgemeinde Grafenwörth vertragsgemäß eine Summe in der Höhe von € 180.000,00 in Abzug gebracht, sodass der Gemeinde für die Lärmschutzwand keine Kosten entstehen können. Dies ist vertraglich vereinbart und vom Gemeinderat selbstverständlich so beschlossen.“
Folgt man diesem Gedanken, würde sich die Gemeinde den Lärmschutzwand-Anteil allerdings erst recht wieder selbst bezahlen: und zwar mit ihr zustehenden Einnahmen aus der Nutzung von Gemeindegrund für die Datenleitung und aus Einnahmen in Zusammenhang mit dem Wilddurchlass. Dabei handelt es sich allem Anschein nach um Gelder, die – so sie denn je fließen werden – Grafenwörth ohne Lärmschutzwand anderweitig verwenden hätte können.
Bürgermeister Riedl ließ eine profil-Anfrage unbeantwortet.