Salzburg: Landesregierung verfehlte Wohnbauziele um über 40 Prozent
Wir werden die Wohnbauförderung evaluieren, um die geförderte Bauleistung in der Höhe von mindestens 900 Mietwohnungen (…) pro Jahr zu sichern.
Falsch
Wo die prunkvolle Festung Hohensalzburg majestätisch über verwinkelten Gassen und barocken Prachtbauten thront; wo Kapuziner- und Mönchsberg an der grünen Salzach emporragen, hat sich – bereits vor Jahren – eine inzwischen immer drängendere Herausforderung eingenistet: Unbezahlbarer Wohnraum. Mieten in Salzburg steigen stetig, Baukosten schnellen in die Höhe, Grundstückspreise explodieren. Und die Probleme machen an den Grenzen der Mozartstadt nicht halt: Mit 10,4 Euro ist die Quadratmetermiete in keinem anderen Bundesland so hoch wie in Salzburg; nicht einmal jede zweite Mietwohnung ist gefördert, womit Salzburg deutlich unter dem Österreich-Schnitt liegt.
Bereits 2018 schien sich die Salzburger Landesregierung der Dringlichkeit einer Lösung bewusst: Die Koalition aus ÖVP, NEOS und Grünen wollte mit der Reform der Wohnbauförderung mehr geförderte Mietwohnungen schaffen. Im gemeinsamen Abkommen der drei Parteien heißt es: „Wir werden die Wohnbauförderung evaluieren, um die geförderte Bauleistung in der Höhe von mindestens 900 Mietwohnungen (…) pro Jahr zu sichern.“
Ein faktiv-Faktencheck anlässlich der Landtagswahl zeigt jedoch: Dieses Ziel wurde in keinem einzigen der letzten fünf Jahre erreicht. Sondern sehr deutlich verfehlt. Auch der Plan, einkommensabhängige Mieten im geförderten Bereich einzuführen, scheint auf Eis zu liegen. Warum ist die Dirndl-Koalition aus ÖVP, Grünen und NEOS im Wohnbau derart krachend gescheitert?
Die Stadt Salzburg ist weiterhin eines der teuersten Pflaster in ganz Österreich: Rund 17 Euro kostet der Quadratmeter seit letztem Jahr. Am stärksten gestiegen sind die Mietpreise im Land 2022 jedoch im Pongau und Flachgau – um rund sechs Prozent, wie aus einer aktuellen Statistik der online-Plattform „willhaben“ hervorgeht. Wohnungen am freien Markt sind in ganz Salzburg für viele Menschen schwer leistbar; die Wartelisten beim Wohnungsamt werden daher immer länger. Doch angesichts der Teuerung sind selbst die Mieten im sozialen Wohnbau immer schwerer zu stemmen, im Bundesländervergleich liegt Salzburg auch hier auf den vorderen Rängen. Jeder zweite Mietvertrag im Bundesland ist im Übrigen befristet.
Verfehlte Ziele im Mietwohnbau
Was wurde aus dem Plan der Dirndl-Koalition, das Problem mit 900 geförderten Mietwohnungen im Jahr zu bekämpfen? Nicht viel: 2018 verfehlte die Regierung das Ziel um 182 Wohnungen, 2019 um 252 und 2020 – da galten bereits die Corona-Lockdowns – um ganze 644. Ab dem Jahr 2021 schraubte die Regierung ihr Ziel deutlich nach unten und wollte zumindest 650 geförderte Mietwohnungen pro Jahr zusichern. Doch nicht einmal dieser Wert konnte ansatzweise erreicht werden. 2021 fehlten 261 Wohnungen aufs Minimalziel, 2022 immerhin 219. Insgesamt wurden in den vergangenen fünf Jahren somit rund 2500 neue geförderte Mietwohnungen im Land Salzburg errichtet – um etwa 2000 Wohnungen weniger als die Regierung zu Beginn der Legislaturperiode versprochen hatte. Ein Delta von über 40 Prozent (berechnet jeweils ohne Einheiten in Wohnheimen). Die Pandemie taugt nur zum Teil als Ausrede: Bereits in den Vor-Corona-Jahren lag das Delta bei 30 Prozent. Auch die Ziele zur Errichtung geförderter Eigentumseinheiten sowie Sanierungen (600 bzw. 3700 pro Jahr im gesamten Bundesland wurden im Koalitionsvertrag bestimmt) konnten nicht so wie vor fünf Jahren bestimmt erfüllt werden – wenngleich man der vollständigen Zielerreichung beim Bau geförderter Eigentumswohnungen bedeutend näherkam. Insgesamt werden in Salzburg allerdings weit mehr Privatwohnungen als Einheiten im geförderten Bereich gebaut. Und das vor allem in Tourismusgemeinden, wo typischerweise ein hoher Anteil der Wohnungen als Nebenwohnsitz dient.
Salzburgs NEOS-Chefin und Wohnbaulandesrätin Andrea Klambauer verteidigt gegenüber profil: Die Fördersätze seien in den letzten Jahren mehrfach nachgebessert worden; Projekte mit 400 Wohnungen seien in der Statistik für 2022 noch nicht enthalten. Und: „Die gemeinnützigen Bauvereinigungen haben für heuer Projekte im Umfang von 1009 Mietwohnungen eingemeldet.“ Die Unterschreitung der Zielwerte in den letzten Jahren sieht die NEOS-Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen unter anderem durch die Corona-Pandemie und Lieferkettenprobleme aufgrund des russischen Angriffskriegs bedingt. Tatsächlich liegen die Wurzeln tiefer, wie aus einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) im Auftrag der Arbeiterkammer Salzburg aus dem vergangenen Jahr hervorgeht: Als Hauptursachen werden etwa Bodenknappheit sowie hohe Grund- und Baukosten genannt. Letztere liegen in Salzburg mitunter 15 Prozent über dem österreichischen Durchschnitt. Studienautor Michael Klien zu profil: „Da lohnt sich die Errichtung von Mietwohnungen für gemeinnützige Wohnbauträger trotz Förderung nicht.“ Schließlich unterliegen die Mieten im sozialen Wohnbau – anders als am freien Markt – Grenzen.
Nicht abgerufene Fördermittel
Das Resultat: Budgetierte Wohnbauförderungen in zweistelliger Millionenhöhe flossen jedes Jahr zurück in den Landeshaushalt. Über 130 Millionen Euro wurden allein seit 2019 nicht abgeholt, heißt es aus dem Büro der Wohnbaustadträtin selbst. SPÖ und KPÖ-plus kritisieren: Dazu gezählt werden sollten außerdem Rückflüsse aus in der Vergangenheit vergebenen Wohnbaudarlehen. „1,2 Milliarden Euro hat ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer seit seinem Amtsantritt aus der Wohnbauförderung ins Regierungsbudget umgeleitet“, sagt KPÖ-plus-Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl. Kritik, der die Volkspartei in Salzburg freilich wenig abgewinnen kann – und streng auf die Zuständigkeit der NEOS verweist. „Kernproblem: keine aktive Bodenpolitik, keine Zusammenarbeit mit den Gemeinden, zu wenig Ambition“, moniert ÖVP-Raumordnungssprecher Wolfgang Mayer.
Abhilfe in der Zukunft sehen die Grünen – sie sind gleich wie die NEOS Juniorpartner in der Landesregierung – vor allem in der Sanierung sowie im strikteren Umgang mit Zweitwohnsitzen („Festspielwohnungen“) und Leerständen. Tatsächlich stehen fast drei Prozent der Wohnungen in der Stadt Salzburg leer, wie aus Schätzungen des Salzburger Instituts für Raumordnung und Wohnen hervorgeht; eine Mobilisierung würde sich dämpfend auf die Preise auswirken, heißt es. ÖVP und NEOS verweisen angesichts der angespannten Wohnsituation im Land vor allem auf die notwendige Sicherung von Bauland. Stimmt, sagt WIFO-Experte Klien, aber: „Die aktuelle Bodenknappheit in Salzburg geht auf die unflexible Flächenwidmung zurück und ist hausgemacht.“ Der Fachmann plädiert für eine Neu- bzw. Umwidmung von schlecht genutzten Flächen wie Parkplätzen und den Ankauf von Bauland durch die öffentliche Hand. Denn schließlich sind sich alle Beteiligten einig: Für eine nachhaltige Senkung der Wohnkostenbelastung in Salzburg müssen Bau- und Grundkosten gedämpft werden.
Fazit
Insgesamt hat die Salzburger Landesregierung ihr Versprechen nicht gehalten: In den letzten fünf Jahren wurden um über 40 Prozent weniger geförderte Mietwohnungen errichtet als versprochen. Ob die Zusicherung von ÖVP-Landeshauptmann Haslauer hält, die Wohnbauförderung auf neue Beine zu stellen, wird sich weisen.