Stromsparen in Skigebieten: Seilbahnchef Hörls leere Versprechungen
Grundsätzlich: [Auf] Nachtskilauf kann ein Großteil der Unternehmen verzichten, wir können auch bei den Sesselheizungen was tun.
Größtenteils falsch
Auf der Prioritätenliste von Franz Hörl steht eine Sache ganz oben: Seilbahnen. Im Juli erklärte der ÖVP-Tourismussprecher sich zu wehren, sollte Strom knapp und ausschließlich für Städte (und nicht für Skilifte) produziert werden. Im Herbst versprach der Abgeordnete aus Tirol Energiesparmaßnahmen bei Seilbahnen und auf Skipisten. Denn trotz einer potenziellen Versorgungskrise sollte die Skisaison wie gewohnt an- und ablaufen – nur ressourcenschonender, so Hörl im ORF: „Grundsätzlich: [Auf] Nachtskilauf kann ein Großteil der Unternehmen verzichten, wir können auch bei den Sesselheizungen was tun.”
Ein faktiv-Rundruf in Österreichs Skigebieten samt Lokalaugenschein zeigen zum Saisonstart im Dezember allerdings: Wir können mit Ski und Snowboard - wie gewohnt - bei Nacht über hell beleuchtete Hänge brettern; unsere kalten Gesäße werden weiter mit Lift-Sitzheizungen gewärmt. Sogar Seilbahnunternehmen, bei denen Hörl in führender Funktion das Sagen hat, haben dessen Energiespartipps ignoriert.
Auch künftig Abendbetrieb
Für Lifttickets müssen Wintersportbegeisterte 2022/23 um etwa neun Prozent mehr bezahlen als letztes Jahr. Die Branche hofft dennoch auf eine Wintersaison wie damals. Im Umgang mit Ressourcen dürfte es im Vergleich zu den Vorjahren jedenfalls nicht allzu viele Neuerungen geben – obwohl der Skitourismus und die künstliche Beschneiung enorm energieintensiv sind.
Flutlichtanlagen sei Dank ist Nachtskilaufen unter freiem Himmel auch dieses Jahr wieder in vielen Tourismusregionen möglich. Zum Beispiel „wie gewohnt“ in Österreichs größtem (Nacht-)Skigebiet „Wilder Kaiser – Brixental“ in Tirol auf zehn Kilometern beleuchteter Piste. Auch auf der „Hochwurzen“ in Schladming läuft beim Nachtskilauf alles wie in den vergangenen Jahren, heißt es auf profil-Anfrage telefonisch. Mit einer Änderung: Der Nachtskilauf wurde um einen Tag gekürzt, außer in der Weihnachtszeit. Im Oktober wurden von Ski Amadé, Österreichs größtem Skiverbund mit Skiorten in Salzburg und der Steiermark, bereits derartige Einsparungen angekündigt, etwa Skifahren bei Nacht auf der „Hochwurzen“ nur mehr an fünf statt an sechs Tagen anzubieten.
Insgesamt lautet die Antwort bei der Mehrheit der abgefragten Nachtskigebiete des Landes gleich: „Alles wie bisher, keine Änderungen“. Bei 17 von 22 Nachtregionen - darunter der „Zauberberg“ am Semmering, die Region „Nassfeld“, „Obertauern“ in Salzburg, die Piste im Tiroler „Galtür“ oder der Skizirkus „Saalbach Hinterglemm“ - soll es keine Einschränkungen beim Nachtskibetrieb geben.
Nur in drei der 22 betrachteten Gebiete - „Kitzbühel“, „Sölden“ und „Hochzillertal“ in Tirol - wird „wegen der Energiekrise“ diese Saison tatsächlich kein Skifahren bei Flutlicht angeboten; im „Kleinwalsertal“ in Vorarlberg kann nur mehr an fünf Abenden statt wie sonst jeden Mittwoch bei Nacht über die Piste gebrettert werden, auch auf der „Hochwurzen“ gibt es Kürzungen. Insgesamt scheint diese Saison dennoch nicht ein Großteil der Unternehmen, anders als Hörl ankündigte, auf Nachtskilauf zu verzichten.
Weiter warme Hintern
profil hat sich in Skigebieten auch in punkto Sitzheizungen umgehört: Während es in „Ischgl“, im „Kleinwalsertal“ und auf der „Planai“ in Schladming sowie von Ski Amadé explizit heißt, dass die Lifte aufgrund der Energiekrise nicht beheizt werden, geben sich alle anderen befragten Betriebe bestimmt: „Wir heizen so wie immer“. Bei Bedarf werde die Sesselheizung aufgedreht, „bevor unsere Gäste ein kaltes Gesäß bekommen“, wie es der Mitarbeiter eines bekannten Skigebiets in Tirol pointiert formuliert.
Keine Umsetzung von Hörls Energiespartipps
Auch in der „Zillertal Arena“ in Tirol hält man vom Aus für Sesselheizungen wenig. Eine Mitarbeiterin erklärt: „Wir heizen so wie immer, der Gast wird nicht unter der Energiekrise leiden.“ Zur Skiregion im Zillertal gehören auch das „Schilift Zentrum Gerlos GmbH“ und die „Gerlospaß-Königsleiten-Bergbahnen“; Seilbahnchef Hörl hat dort die Rolle des Geschäftsführers und des Aufsichtsratsvorsitzenden inne.
Schriftlich teilt die „Zillertal Arena“ mit, dass an der Effizienz im Energiebereich gearbeitet werde, aber: „Die Sitzheizung der Lifte kommt dann zum Einsatz, wenn es notwendig ist – an dieser Stelle den Komfort einzusparen wäre im Hinblick auf das große Ganze und den relativ kleinen Spareffekt keine effiziente Energiesparmaßnahme.“ Das klang bei Hörl im Herbst noch anders. Wo hingegen gespart werde: Die Leuchten auf dem Parkplatz seien getauscht worden, Mitarbeiter wurden hinsichtlich Energieeinsparungsmaßnahmen geschult und die Beschneiung wurde optimiert.
WKO-Maßnahmenkatalog ohne Folgen
Was Franz Hörl selbst dazu sagt? Auf eine profil-Anfrage reagiert der ÖVP-Abgeordnete nicht persönlich. Stattdessen ergeht eine Antwort im Namen des Fachverbands der Seilbahnen in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), dem Hörl vorsteht. Gemeinsam mit Experten habe der Verband einen Maßnahmenkatalog für Betriebe ausgearbeitet, der mögliche Energiesparpotenziale in der Seilbahn-Branche aufzeigt, wird mitgeteilt.
profil liegt das Schreiben vor, das die WKO an alle Skilift-Unternehmen verschickt hat. Darin wird etwa bei Seilbahnen nahegelegt, den Fahrzeugabstand zu vergrößern und die Fahrgeschwindigkeit zu reduzieren, was eine Energieeinsparung von bis zu 20 Prozent ermögliche – freilich ohne Beeinträchtigung des Komforts. Auch geraten wird, die Heizleistung in den Liften zu reduzieren, „wenn es die Witterungsbedingungen und das Gästeaufkommen erlaubt“.
Warum derartiges nicht flächendeckend passiert? Darauf habe die WKO - und damit auch Hörl - keinen Einfluss, heißt es: „Als Fachverband haben wir keinen Einblick in die konkreten Aktivitäten, da diese in der Verantwortung der einzelnen Unternehmen liegen und je nach Rahmenbedingungen individuell sehr unterschiedlich umgesetzt werden.“
Fazit
Während Energiesparmaßnahmen im Herbst groß angekündigt wurden und ambitioniert klangen, zeichnet sich zu Beginn der Saison ein anderes Bild. Auch wenn in einigen Skigebieten tatsächlich Maßnahmen gesetzt werden: Der Großteil der Betriebe scheint nicht auf Nachtskilauf zu verzichten, wie Hörl von der ÖVP behauptet. Viele Unternehmen setzen weiterhin auf Sesselheizungen im Skilift. Die Aussage von Hörl ist insgesamt als größtenteils falsch zu bewerten.
Update, 27.12.2022: Der Artikel wurde in Bezug auf die „Hochwurzen“ in Schladming ergänzt. Der Nachtskilauf wurde um einen Tag gekürzt, außer in der Weihnachtszeit.