Faktencheck: NÖ-Wahlspezial

Umgeht die ÖVP mit diesen Fahnen die Obergrenze für Wahlkampfkosten?

Die SPÖ sieht bereits jetzt Indizien dafür, dass die ÖVP Niederösterreich die Wahlkampfkosten-Grenze umgeht. Ein politisches Foul: Denn Belege für die Vorwürfe gibt es keine.

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Wie die ÖVP Niederösterreich die gesetzliche Obergrenze für Wahlkampfkosten umgeht. // Politik-Beobachter vermuten hinter der Aktion auch eine Umgehung der Wahlkampfkosten-Obergrenze für die kommende Landtagswahl im Jänner.

Kontrast.at, NeueZeit.at

SPÖ-Parteiblogs, 14. und 15. November 2022

Unbelegt

Die ÖVP Niederösterreich ist finanziell gut aufgestellt. So gut, dass sie bereits mehrmals die Wahlkampfkostengrenze sprengte: Im Landtagswahlkampf 2013 investierte die niederösterreichische Volkspartei 8,9 Millionen Euro, damals galt eine Grenze von sieben Millionen Euro. Bei der Wahl 2018 wurde erstmals die bis heute gültige Maximalgrenze von sechs Millionen Euro wirksam, die ÖVP überschritt sie um knapp elf Prozent. Dafür musste die Partei eine Strafe von 23.000 Euro zahlen.

Daraus lässt sich freilich nicht schließen, dass die ÖVP für 2023 erneut mit einer Kostenüberschreitung kalkuliert. Oder solche Mehrkosten sogar verschleiern will. Genau das werfen die SPÖ-Parteiblogs „Kontrast“ und „Neue Zeit“ der ÖVP aber vor: „Eine Umgehung der Wahlkampfkosten-Obergrenze“. Dabei berufen sich die Parteimedien auf nicht näher genannte „Politik-Beobachter“, die sie auf profil-Anfrage nicht namhaft machen wollen. Immer dann, wenn anonyme Quellen als vermeintliche Belastungszeugen für Vorwürfe herangezogen werden, ist Vorsicht angebracht.

Anlass für die Beschuldigung: Die ÖVP Niederösterreich verschickte zum Landesfeiertag Fahnen in den blau-gelben Landesfarben samt Wappen an alle ihre Mitglieder – und von denen soll es im Land mehrere Hunderttausend geben. Hintergrund der PR-Aktion: Die ÖVP inszeniert sich derzeit als „Niederösterreich-Partei“, auch das Parteilogo trägt die blau-gelben Landesfarben. Mit der skandalgebeutelten Bundespartei will man offiziell nichts zu tun haben, obwohl Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner dort selbstverständlich tonangebend ist.

Die rote Konkurrenz vermutet hinter dem Fahnen-Versand eine Umgehung, weil der Landesfeiertag ein paar Tage vor dem Stichtag liegt, ab dem die Wahlkampfkosten-Obergrenze gilt.

ÖVP: „Fahne ist nicht Wahlkampf"

Die ÖVP entgegnet nach rechtlicher Klärung: Der Landesfeiertag liege außerhalb des Wahlkampfs, eine Umgehung sei das nicht, „weil eine Fahne nicht Wahlkampf ist, weil ein Mitgliedergeschenk nicht Wahlkampf ist“. Das deckt sich mit der Landeswahlordnung: „Wahlwerbungsausgaben sind Ausgaben, die von politischen Parteien für Wahlwerbung zwischen dem Stichtag und dem Wahltag zum Niederösterreichischen Landtag aufgewendet werden.“

Zahlungstermin relevant

Manfred Matzka war einst Sektionschef im Bundeskanzleramt unter roten Kanzlern und ist eines von drei Mitgliedern des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats (UPTS) in Niederösterreich. Matzka wird nach der Wahl zu entscheiden haben, welche Kosten Wahlkampf-relevant sind und welche nicht. Er widerspricht den SPÖ-Blogs: „Das Gesetz ist von der Tendenz getragen, die Wahlausgaben etwas lockerer auszulegen.“ Nach Matzkas Rechtsauffassung ist die Frist für die Zahlung entscheidend: „Die Wortwahl im Gesetz ist relativ klar. Man muss sich ansehen, wann die Fahnen bezahlt wurden. Punktuelle Aufwendungen vor dem Stichtag wird man nicht in die Wahlkampfkosten hineinrechnen.“ Die Fahnen wären laut also für den Wahlkampf  nicht relevant.

In Einzelfällen, sagt Matzka, seien auch Zahlungen in die Wahlkampfkosten einzukalkulieren, die vor dem Stichtag abgerechnet wurden: „Wenn es um periodische Zahlungen geht, also wenn eine Partei ein Jahrespaket für zwölf Monate für Inserate bucht, muss sie das aliquot reinrechnen.“

Werbewirksame Verwendung relevant

Der auf Parteienfinanzierung spezialisierte Politikwissenschafter Hubert Sickinger sieht das anders: „Es zählt nicht, wann Wahlwerbung bezahlt wurde, sondern wann sie werbewirksam verwendet wird. Wenn sie über einen längeren Zeitraum verwendet wird, wäre sie anteilsmäßig einzurechnen.“ Umgelegt auf die Fahnen-Frage bedeutet das laut Sickinger: „Wenn die Flaggen im Wahlkampf stark zum Einsatz kommen und wir beim Auftakt ein blau-gelbes Fahnenmeer sehen, könnte das auch Wahlkampf-relevant sein.“ Entscheidender Nachsatz von Sickinger: „Das weiß man aber jetzt noch nicht.“

Fazit

Selbst wenn Sickinger gegenüber Matzka recht behält, ist aus heutiger Sicht unklar, ob die Fahnen im Wahlkampf zum Einsatz kommen – und ob die ÖVP überhaupt in die Nähe der Maximalgrenze von sechs Millionen kommt. Die Behauptung von „Kontrast“ und „Neue Zeit“ ist in jedem Fall unbelegt

faktiv-Spezial

Dieser Text ist Teil einer Faktencheck-Serie zur Landtagswahl in Niederösterreich am 29. Jänner 2023. Dabei deckt die faktiv-Redaktion gebrochene Versprechen, Dirty Campaigning und rechtswidrige Vorschläge auf.

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.

Katharina Zwins

Katharina Zwins

war Redakteurin bei profil und Mitbegründerin des Faktenchecks faktiv.