FPÖ-Gesundheitssprecher Gerald Hauser
Faktencheck

Warum die FPÖ noch immer auf Ivermectin schwört – und falsch liegt

Obwohl bereits mehrfach geklärt wurde, dass das Entwurmungsmittel Ivermectin gegen Corona wirkungslos ist, fordert ein FPÖ-Abgeordneter in einer aktuellen Anfrage vom Gesundheitsminister den Einsatz des Stoffes.

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von David Ulrich

Wenn wir die ausführlichen Unterlagen und Daten berücksichtigen, fragt man sich, warum der Einsatz von Ivermectin bei Covid-19 in Österreich so kritisiert und verunglimpft wird.“

Gerald Hauser

Nationalratsabgeordneter (FPÖ), in einer parlamentarischen Anfrage, am 27. April 2022 im Nationalrat eingelangt

Falsch

Der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Gerald Hauser scheint kein besonders großer Freund von Fakten zu sein. Denn ein Großteil der wissenschaftlichen Publikationen und selbst der Pharmakonzern Merck Sharp & Dohme, der Ivermectin herstellt, sehen keinen Sinn im Einsatz des Mittels gegen Covid-19 – sie warnen vielmehr vor gesundheitlichen Gefahren. Hauser kümmert das alles nicht, wie seine kürzlich eingebrachte parlamentarische Anfrage an den Gesundheitsminister zeigt. Darin fragt sich FPÖ-Mann Hauser, „warum der Einsatz von Ivermectin bei Covid-19 in Österreich so kritisiert und verunglimpft wird“.

profil wollte von Hauser wissen, ob er das Mittel bereits selbst getestet hat. Es kam keine Antwort. In seiner Anfrage führt der FPÖ-Mandatar jedenfalls eine Studie an, die angeblich die Wirksamkeit von Ivermectin gegen Corona belegen soll. Ein genauerer Blick zeigt jedoch: Das ist eine Fehlannahme.

Fest steht: Ivermectin ist einer von vielen Wirkstoffen, die zu Beginn der Corona-Pandemie auf ihre Wirkung gegen COVID-19 getestet worden sind. Eigentlich ist es ein Antiparasitikum, das zum Beispiel bei Würmern oder Krätze zum Einsatz kommt. Anfangs zeigte sich in Laborversuchen ein möglicher Effekt gegen das Coronavirus, allerdings konnte das in Studien nicht nachgewiesen werden.

Nichtsdestotrotz führt Hauser in seiner Anfrage einige (neuere) Studien an, die auf den ersten Blick zu zeigen scheinen, dass eine Vorsorge-Behandlung mit Ivermectin die Corona-Sterblichkeit senken würde. Eine Studie, die der Nationalratsabgeordnete besonders prominent zu Rate zieht, fand sogar, dass eine Ivermectin-Prophylaxe in Brasilien zu einer 70-prozentigen Verringerung der Todesfälle geführt hätte. Doch wie kann das sein, wenn selbst der Hersteller MSD sagt: „Es gibt keine aussagekräftige Evidenz für die Anwendung von Ivermectin bei SARS-CoV-2 und MSD spricht sich im Einklang mit den gängigen medizinischen Empfehlungen daher klar gegen die Einnahme bei COVID-19 aus.“ Die Antwort: Ein Wurm ist schuld. Genauer gesagt: Der Zwergfadenwurm, der vor allem in tropischen Gebieten vorkommt und auch Menschen infiziert. Eine Meta-Analyse zeigte, dass die Einnahme von Ivermectin in Studien aus tropischen Gebieten – wie etwa Brasilien – nicht gegen COVID-19, sondern wahrscheinlich gegen eine Infektion mit dem Zwergfadenwurm geholfen hat. Es gab also schlicht und einfach eine generelle Reduktion der Todesfälle bei den Gruppen, die vorsorglich Ivermectin einnahmen.

Neue Studien zeigen, dass Ivermectin nicht gegen COVID hilft

Auch Virologin Monika Redlberger-Fritz meint: „Vom medizinischen Standpunkt her kann man definitiv sagen, es gibt unendlich viele Beweise in Publikationen, dass Ivermectin keinerlei Effekt auf eine COVID-Erkrankung hat." Im Gegenteil: „Das hat extreme Nebenwirkungen. Wenn man es in einer ganz, ganz hohen Konzentration in einem Labor anwendet, dann hat man gesehen, dass es einen kleinen Effekt hat. Dass sich das Virus dann nicht so gut vermehrt. Aber das sind so hohe Konzentrationen, dass es bei Menschen massive Nebenwirkungen bis hin zu Tod hätte."

Das Gesundheitsministerium verweist auf Anfrage von profil ebenfalls darauf, „dass neueste Studien, anders als in der parlamentarischen Anfrage behauptet, klar gezeigt haben, dass Ivermectin zur Vorbeugung und Behandlung von Covid-19 bei Menschen unwirksam ist.“ Außerdem liege dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen bisher ein Fall einer unsachgemäßen Ivermectin-Verwendung vor, die bei der betroffenen Person zu Magen-Darm-Nebenwirkungen geführt hätte. Allerdings gäbe es in diesem Bereich erfahrungsgemäß eine höhere Dunkelziffer. Warum also versteifen sich Freiheitliche wie Hauser und Kickl auf Ivermectin als Wundermittel gegen Covid-19?

Anti-Regierungs-Propaganda

Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle meint: „Die FPÖ nimmt Schlüsselwörter, wie etwa Ivermectin, zu dem es Studien im Netz gibt, wo es vielleicht heißt, es würde doch helfen. Aber es geht um Zweifel, es geht um ein Wort, das sich leicht googlen lässt, wo die, die danach suchen, auf widersprüchliche Informationen stoßen, die vielleicht diese These bestätigen. Es geht der FPÖ, oder dem Herrn Hauser nicht darum, aufzuklären, oder um die beste Studie oder die beste medizinische Behandlung. Es geht nur darum, Misstrauen gegenüber der Strategie der Regierung zu säen und Verschwörungstheorien zu untermauern." Konkret würde die FPÖ mit dieser Taktik ihren Wählern und Wählerinnen suggerieren, dass die Regierung der Bevölkerung wirkungsvolle Alternativen zu Impfung und Maske vorenthält. Das knüpfe wiederum an bestehende Verschwörungstheorien an. Zum Beispiel, dass etwa die mRNA-Impfstoffe die Gene der Geimpften manipulieren könnten – was nicht der Fall ist, da mRNA gar nicht erst in den Zellkern kommt, der die komplette DNA enthält.

Fazit

Fakt ist, dass das Arzneimittel bei höheren Dosierungen zu starken Nebenwirkungen führen kann. Virologin Redlberger-Fritz findet für den andauernden Ivermectin-Trip der FPÖ klare Worte: „Das schlägt genau in die gleiche Richtung, wie Präsident Trumps Vorschlag, dass man sich doch bitte Desinfektionsmittel injizieren sollte. Natürlich inaktiviert Desinfektionsmittel das Virus, aber es inaktivert auch den Menschen, der es sich injiziert."