Was wurde aus den grünen Transparenz-Versprechen?
Die Grünen haben einen Lauf: Sie drängten ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz zum Rücktritt, finalisierten das Prestigeprojekt Klimaticket und setzten – wenig ambitioniert, aber immerhin – eine Steuer durch.
Vorbei sind die Zeiten, in denen die Grünen als Anhängsel der ÖVP belächelt wurden. Ein grüner Nationalratsabgeordneter fasst das neue Selbstbewusstsein des kleinen Koalitionspartners zusammen: „Wir haben viele Leuchtturmprojekte rausgeballert. Was kriegt eigentlich die ÖVP auf die Reihe?“
In einem ihrer Kernthemen bringen allerdings die Grünen nichts auf die Reihe. „Saubere Umwelt, saubere Politik“, plakatierten sie im Nationalratswahlkampf 2019. In jahrzehntelanger Oppositionsarbeit erwarben sich die Grünen den Ruf als Kontrollpartei, strikt bei Transparenz und Korruptionsbekämpfung.
Umso bitterer für die einstigen Aufdecker, dass sie ihre Versprechen bisher nicht einhalten konnten. Das „grüne Kompetenzteam für saubere Politik“ (Eigenbezeichnung), namentlich Vizekanzler Werner Kogler, Justizministerin Alma Zadić und Klubobfrau Sigrid Maurer, kündigte im Sommer 2020 in zwei Pressekonferenzen ein Transparenz-Paket bis Jahresende an. Jahresende 2020 wohlgemerkt. Bloß wurde davon bisher kein einziger Punkt umgesetzt.
Anti-Korruption: Entwurf verstaubt
Wir wissen, dass es nicht strafbar ist, dass Personen einen günstigen Platz auf einer Wahlliste erwerben können. Und diesen Mandatskauf wollen wir strafbar machen. Und zum anderen geht’s um zukünftige Amtsträger. Jemand, der in dieser zukünftigen Funktion eine Leistung verspricht und schon jetzt Geld dafür annimmt. Denn niemand – und ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich auch nicht – hat verstanden, warum das, was im Ibiza-Video versprochen wurde, nicht strafbar ist. Ich habe das bereits angekündigt, dass ich mich um Schließung dieser Lücken kümmern werde. Es soll im Sommer in Begutachtung gehen und wird im Herbst dem Parlament vorgelegt werden.“
Das Dokument aus dem Justizministerium trägt den Titel „Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2021“ und ist bloß eineinhalb Seiten lang. In dem Papier aus dem Mai 2021 ist verschriftlicht, was die grüne Justizministerin Alma Zadić zuvor öfter versprochen hat, aber bisher noch nicht umgesetzt wurde: eine Lex Ibiza. Denn die Ibiza-Affäre legte eklatante Gesetzeslücken im Korruptionsstrafrecht offen. So ist es in Österreich noch immer legal, Politiker zu bestechen. Und zwar dann, wenn jemand noch nicht Bürgermeister oder Kanzler ist, sondern erst für eines dieser Ämter kandidiert. Auch Mandatskauf ist erlaubt, also eine Partei dafür zu bezahlen, dass eine Person ein Nationalratsmandat bekommt.
Diese beiden Handlungen sollen laut dem Entwurf des Justizministeriums unter Strafe gestellt werden. Der Entwurf soll im Mai 2021 mit mehreren Strafrechtsexperten in einem Zoom-Meeting diskutiert worden sein, wie profil von zwei Teilnehmern berichtet wurde. Beide Teilnehmer bestätigten auch unabhängig voneinander die Existenz des Entwurfes, den Titel und den Inhalt des Dokuments. Doch was passierte mit dem Papier?
Dazu gibt es zwei informelle Erzählungen: Aus den Reihen der Grünen heißt es, der Gesetzesentwurf sei bereits vor etwa einem Monat zur Abstimmung an ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler übermittelt worden. Aus dem Umfeld der ÖVP wiederum verlautet es, man kenne das Papier nicht.
Das grüne Justizministerium blieb auf profil-Anfrage vage: „An der Novellierung des Korruptionsstrafrechts wird momentan intensiv gearbeitet. Eckpunkte der Novellierung sind die Ausweitung der Korruptionsdelikte, wie zum Beispiel der Bestechlichkeit, auch auf zukünftige Amtsträger und die Strafbarkeit des Mandatskaufs.“ Einen Zeitplan gibt es dafür noch nicht. Nur eines steht fest: Ein Begutachtungsentwurf im Sommer 2020, wie ihn Zadić im Vorjahr ankündigte, wird sich nicht mehr ausgehen.
Informationsfreiheit: Nicht einmal ein Zeitplan
Österreich in die Spitzenplätze der Weltliga zu bringen in Sachen sauberer Politik, Transparenz, Informationsfreiheit und auch Antikorruption, das ist unser Ziel, das ist das Ziel der Bundesregierung. (…) Jetzt geht’s darum, ein Transparenzpaket fertigzuschnüren, auf den Weg zu bringen Mitte des Jahres, dass wir Ende des Jahres folgendes Ziel erreicht haben: die gläsernen Parteikassen, Prüfkompetenzen des Rechnungshofes, Informationsfreiheit und Antikorruptionsbestimmungen.“
Sagen wir nicht, wissen wir nicht, geht Sie nichts an – so oder so ähnlich klingen die Antworten, die Journalisten und Bürger auf viele Fragen bekommen, die sie an Behörden richten. profil machte oft den Test. Aufträge an Werbeagenturen? Preise für Schutzmasken? Protokolle aus Krisenstäben? Förderungen für Unternehmen? Bleibt alles geheim. Für politische Entscheidungsträger ist das ziemlich praktisch: Denn wer nichts weiß, muss alles glauben – und kann nicht kontrollieren, ob die öffentlichen Gelder zweckmäßig und sparsam eingesetzt werden. NGOs wie das Forum Informationsfreiheit und Transparency International fordern seit Jahren ein Recht auf Information, das auch einklagbar ist. Im Februar schickte die Regierung einen Entwurf dazu in Begutachtung. Darin war enthalten, dass Bund, Länder und Gemeinden Informationen von öffentlichem Interesse proaktiv veröffentlichen müssen. Dazu sollte die bereits bestehende Auskunftspflicht verschärft und Antwortfristen verkürzt werden.
Am vergangenen Mittwoch rechtfertigte sich Edtstadler im Verfassungsausschuss des Nationalrats für die Verspätung des Informationsfreiheitsgesetzes: In Gesprächen mit Stakeholdern habe sie feststellen müssen, dass Transparenz zwar gerne eingefordert werde, diese aber vor der eigenen Organisation dann haltmache. Sie habe einen „Konsultationsprozess mit Ländern und Gemeinden“ eingeleitet, um für die Akzeptanz des Vorhabens zu werben.
Aus der ÖVP und von den Grünen war zu erfahren, dass insbesondere die Bundesländer Probleme machen dürften. Ein Involvierter sagte bereits vor drei Wochen zu profil: „Aus den Ländern gibt es Vorbehalte. Da gibt’s den Glaubenssatz: Transparent sind wir eh schon alle.“
Auf profil-Anfrage erklärte ein Sprecher Edtstadlers: „Ziel ist es, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das umsetzbar ist und die Verwaltung nicht handlungsunfähig macht. Vorerst kommunizieren wir aber keinen Zeitplan dafür.“
Übersetzt bedeutet das: Es wird noch dauern.
Parteientransparenz: Hilfe vom Rechnungshof
Das Ziel ist, dass wir mit Ende des Jahres, mit 1. Jänner, ein neues Gesetz in Kraft haben. 2020 soll das letzte Jahr gewesen sein, in dem Tricksereien und Betrügereien und Schwindeleien bei der Parteienfinanzierung möglich sein sollen.“
Das Vorhaben ist hehr, doch die Umsetzung ungewiss: Eine direkte Einschaumöglichkeit für den Rechnungshof in die Buchhaltungen der Parteien, eine Verhinderung der Umgehungskonstruktionen bei Parteispenden und höhere Strafen bei einer Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze von sieben Millionen Euro. Bis Ende 2020 sollte es laut den Grünen einen Gesetzesentwurf dazu geben, doch daraus wurde nichts. Und es gäbe bis heute keine Vorlage, hätte die Präsidentin des Rechnungshofes, Margit Kraker, nicht vor zwei Wochen einfach selbst einen Änderungsvorschlag präsentiert. Die ÖVP-nahe Juristin hat damit bewiesen, dass sie ihre Rolle als überparteiliche Kontrollinstanz ernst nimmt – und hat den Grünen Rückenwind verschafft.
Die NEOS würden den Rechnungshof-Entwurf gerne zum Anlass für einen Allparteiengipfel nehmen, doch die Terminfindung gestaltet sich schwierig, wie NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos zu profil sagt. Von den anderen Parteien dürfen Maurer und Hoyos nicht auf viel Unterstützung hoffen. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch spekuliert darauf, dass Türkis-Grün uneinig bleibt: „Ich habe nicht vor, den Vorschlag des Rechnungshofes zu kommentieren, ich warte auf den Vorschlag von der Koalition. Darüber können wir dann diskutieren.“
Fazit
Vizekanzler Kogler wollte Österreich in Sachen Transparenz in die „Champions League“ führen, wie er im Vorjahr sagte. Vorerst muss er sich allerdings mit der Hobbyliga begnügen. Die Versprechen nach einem Informationsfreiheitsgesetz, nach einem strengeren Korruptionsstrafrecht und nach direkten Prüfrechten für den Rechnungshof wurden bisher jedenfalls nicht umgesetzt, obwohl sie für Ende 2020 versprochen waren. Es wurden zwar Vorarbeiten geleistet und es gibt teilweise sogar fertige Gesetzesentwürfe , es ist aber fraglich, ob und wann das angekündigte Paket für Transparenz und Anti-Korruption tatsächlich beschlossen wird.