Zadić irreführend: Regierung könnte Mieterhöhungen sehr wohl stoppen
Das Mietrechtsgesetz sieht eine automatische Anpassung vor. Kategorie-Mieten müssen demnach angepasst werden, hier gibt es leider keinen Spielraum, weil das Gesetz klar vorsieht: Wenn die Inflation über fünf Prozent beträgt, dann muss angepasst werden.
Irreführend
Altbau-Mieter trifft die Teuerungswelle derzeit besonders hart. Bei einer 80-Quadratmeter-Wohnung müssen sie mit jährlichen Mehrkosten von bis zu 550 Euro kalkulieren – das hat die SPÖ-nahe Mietervereinigung berechnet. Der Grund dafür: Mit 1. Juni wurde der Mietzins für rund 250.000 Altbau-Mieter um 5,46 Prozent erhöht und ist damit zum zweiten Mal in diesem Jahr teurer geworden. Denn: Erst vor zwei Monaten kam es bereits zu einer ähnlich hohen Anhebung (5,47 Prozent). Justizministerin Alma Zadić rechtfertigte die zweite Mietanhebung in einem Interview am 4. Juni mit der Rechtslage: „Das Mietrechtsgesetz sieht eine automatische Anpassung vor. Kategorie-Mieten müssen demnach angepasst werden, hier gibt es leider keinen Spielraum, weil das Gesetz klar vorsieht: Wenn die Inflation über fünf Prozent beträgt, dann muss angepasst werden.“ Kann die Regierung wirklich nichts tun? Doch. Die Aussage von Zadić ist irreführend.
Miete orientiert sich an Inflation
Von der Erhöhung sind alle Menschen betroffen, deren Mietvertrag vor dem 28. Februar 1994 abgeschlossen wurde. Diese sogenannten Kategorie-Mieten sind um fünf bis 21 Cent pro Quadratmeter angestiegen. Tatsächlich sieht das Gesetz vor, dass die Miete an die Inflation angepasst wird. Steigt sie über fünf Prozent, kommt es zu einer Erhöhung, die von der Justizministerin bekannt zu geben ist. So weit zitiert Zadić die Bestimmung im Mietrechtsgesetz (§ 16 Abs 6) also richtig.
„Keinen Spielraum“? Doch!
Irrefühhrend ist allerdings, dass es „keinen Spielraum“ gibt, wie Zadić behauptete. Michaela Pelinka, Anwältin für Liegenschafts- und Mietrecht: „Der Justizministerin ist grundsätzlich nicht zuzustimmen.“ Die Juristin verweist auf frühere Beispiele: Zu einer Aussetzung der Mieterhöhungen kam es nicht nur 2008 und 2016. Auch im Vorjahr wurden Mieterhöhungen durch das sogenannte Mietzinsrechtliche Pandemiefolgenlinderungsgesetz (MPFLG) für ein Jahr ausgesetzt. Begründet wurde das damals mit den „wirtschaftlichen und sozialen Belastungen, die die COVID-19 Pandemie für große Teile der österreichischen Bevölkerung mit sich bringt“. Die ausgesetzte Erhöhung des Vorjahres wurde schließlich im April 2022 nachgeholt.
Es braucht den Koalitionspartner
Die Regierung könnte also die Mietpreiserhöhung aussetzen – wenn sie sich einig wäre. Arbeiterkammer-Wohnrechtsexperte Clemens Berger: „Es liegt nicht im persönlichen Belieben der Justizministerin, die Erhöhung der Kategorie-Mieten auszusetzen. Allerdings haben es letztlich natürlich die Regierungsparteien aufgrund entsprechender parlamentarischer Mehrheiten in der Hand, das Gesetz zu ändern.“ Wohnrechtsexperten wie Christoph Kothbauer waren von der zweiten Anpassung innerhalb von zwei Monaten „überrascht“. „Ich habe bis zum Schluss nicht damit gerechnet, dass eine erneute Anpassung kommen wird. Ich dachte, der Gesetzgeber wird sich bestimmt etwas einfallen lassen.“ Das hat er nicht.
Fazit
Warum hat die Koalition nicht reagiert? Die späte Kundmachung der Mieterhöhung im Bundesgesetzblatt deutet darauf hin, dass die Regierungsparteien bis zum Schluss ergebnislos verhandelten. Aus Regierungskreisen war zu erfahren, dass kein Konsens zwischen ÖVP und Grünen hergestellt werden konnte – wofür Alma Zadić freilich nicht alleine verantwortlich ist. Es ist allerdings irreführend, wenn sie sich auf der bestehenden Rechtslage ausruht, ohne die Möglichkeit einer Gesetzesänderung anzuführen.
Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Mietervereinigung Wien, befürchtet, dass es nicht die letzte Preisanpassung war: „Wenn weiterhin nichts unternommen wird und die Inflation weiterhin so rasant ansteigt, droht noch heuer eine weitere Erhöhung.“ Die Mietervereinigung fordert eine unbefristete Aussetzung der Erhöhung – und stellt grundsätzlich infrage, warum Altbau-Mieten an die Inflation gekoppelt sind. Diese Forderungen stehen freilich im krassen Widerspruch zur Position der Vermieter.